Zucht ohne Einzelhaltung:
Ist die Gruppenhaltung auch für Zuchtrammler und Häsinnen möglich?
Schon seit längerer Zeit wird ein Thema immer wieder in Zuchtkreisen stark diskutiert: Die Einzelhaltung von Zuchttieren. Viele Züchter wünschen sich schon länger neue Wege zu gehen und ihre Tiere in einer Gruppe aufwachsen zu lassen und auch den Zuchtrammlern einen Artgenosse an die Seite zu gesellen.
Bei manchen Züchtern blieb es nicht nur bei der Theorie, einige haben auch verschiedene Lösungsansätze praktisch umgesetzt und sind damit erfolgreicher gewesen, als erwartet.
Alternativen zur Einzelhaltung von Zucht-Rammlern
Die meisten deutschen Zuchtrammler leben immer noch alleine und haben nur für die Zeit, in der sie ein Weibchen decken sollen, Kontakt zu Artgenossen.
Manche Züchter setzen ihre Rammler nur etwa 1-2 Jahre ein und kastrieren sie anschließend um ihnen noch ein Leben in Gesellschaft zu ermöglichen. Andere Züchter leihen sich die Rammler aus und halten keine eigenen Zuchtrammler. All diese Maßnahmen lösen jedoch nicht das Problem der Einzelhaltung für den Rammler, der gerne in Gesellschaft leben würde.
Eine Alternative zur Einzelhaltung bietet die Vergesellschaftung mit einem kastrierten Rammler oder einer kastrierten Häsin, wobei ersteres mehr verbreitet ist, da die Kastration von Rammler deutlich günstiger ist. Viele verwenden frühere Zuchtrammler, die nun kastriert wurden, als Gesellschafter für ihre unkastrierten Zuchtrammler. Wenn die Zuchtrammler nicht mehr eingesetzt werden, können sie kastriert den nachkommenden Zuchtrammlern Gesellschaft leisten oder in einer Weibchen-Gruppe für Ruhe sorgen.
Besser geeignet als frühere Zuchtrammler sind frühkastrierte, in Gruppenhaltung gut sozialisierte Kastraten.
Natürlich gehört zu so einer Haltung viel Fingerspitzengespür, nicht jeder Rammler passt zu jedem Kastraten und nicht jede Haltung ist für so eine Vergesellschaftung geeignet. Natürlich sollte das Gehege so beschaffen sein, dass es die Harmonie des ungleichen Paares unterstützt.
Es gibt sicherlich auch Rammler, bei deren Vergesellschaftung man etwas verzweifelt, allerdings sollte man sich auch fragen, ob man einen solchen Rammler für Zuchtzwecke einsetzen möchte, wenn man sozialverträgliche, gut sozialisierte Kaninchen züchten möchte. Vielleicht ist es bei solchen Rammlern manchmal sinnvoller, sie aus der Zucht zu nehmen und als kastrierte Liebhabertiere weiter zu geben.
Die Gruppenhaltung in der Zucht
Ein Aufwachsen in der Gruppe, ist in deutschen Züchterkreisen nicht üblich, doch einige Züchter haben sich an eine Zucht in der Gruppe herangetraut und ziehen auf diesem Weg Tiere auf, die ausgesprochen gut sozialisiert und erzogen wurden, und nachher über ein sehr gutes Sozialverhalten gegenüber Artgenossen verfügen und ausgesprochen verträglich sind.
Meistens werden Gruppen mit weniger als zehn Weibchen und ein bis zwei Kastraten (z.B. frühere Zuchtrammler) gehalten. Die Weibchen benötigen genug Versteckmöglichkeiten, Ruckzugsräume und Platz um ihre Jungen in der Gruppe großziehen zu können. Natürlich sind nur sozial verträgliche Kaninchen für so eine Zucht geeignet, was den Vorteil hat, dass unverträgliche Kaninchen nicht zur Zucht eingesetzt werden und so sehr soziale und gut verträgliche Kaninchen nachgezogen werden. Die Häsinnen müssen nur für den Deckakt wenige Tage aus der Gruppe genommen werden und leben ansonsten stressfrei fest in ihrer Gruppe, ziehen dort ihre Jungen groß und verbringen dort Zuchtpausen. Mütter mit ähnlich alten Babys legen ihre Nester sogar oftmals zusammen.
Es gibt also durchaus Konzepte, die eine Zucht ohne Einzelhaltung ermöglichen und von engagierten Züchtern bereits umgesetzt werden. Diese Konzepte bieten auch den Vorteil, dass die Zucht auf sozialverträgliche Tiere ausgerichtet ist.
Erfahrungsbericht: Geburt und Aufzucht in einer Kaninchengruppe
Der Natur folgend wagte ich es dann im Sommer 2010. Zu diesem Zeitpunkt lebten in meinem großen, begehbaren Gehege meine erfahrene Teddyhäsin Luna, eine zweite Häsin, Löwenköpfchen Blue, und Teddyzwergkastrat Yeti.
Ca. 1 Woche vor dem errechneten Geburtstermin fing Luna an, in der bereitgestellten Wurfbox (einer Höhle nachempfunden), ein Nest zu bauen. Zu meinem Erstaunen rupfte sich die andere Häsin (Blue) und polsterte Lunas Nest aus. Voller Interesse, aber auch mit etwas Sorge beobachtete ich dies, denn es war zu befürchten, das Luna nun ihr Nest nicht nutzen würde.
Einige Tage später fing Luna dann jedoch an, sich ebenfalls Fell für den Nestbau zu rupfen. Da Geburten meist in den späten Abendstunden, nachts oder früh morgens erfolgen, habe ich dies leider verpasst. Am nächsten Morgen fand ich 6 wunderschöne, kräftige und gesunde Babys in der Wurfbox vor. Und zu meiner großen Freude war kein Jungtier angenagt, verletzt oder nicht gesäugt worden.
Luna selbst saß auf der Box, jedoch nicht unruhig oder angriffslustig, die anderen taten völlig desinteressiert. Nach wenigen Tagen kehrte der Alltag zurück. Die drei Großen waren wie immer ein Herz und eine Seele und die Babys lagen friedlich im Nest.
Nach dem Öffnen der Augen und dem „flügge“ werden fing eine sehr schöne und lustige Zeit an, denn die Kleinen tobten mit und über die Großen und versuchten sogar bei Kastrat Yeti Milch zu ergattern. Eine wunderschöne Zeit, die zeigt, wie selbstverständlich und natürlich die Aufzucht in einer Gruppe ist.
Trinkversuche bei Kastrat Yeti
Für mich faszinierend mit anzusehen war jeden Tag aufs Neue, wie sozial Kaninchen sind! Die Jungtiere kuscheln sich nicht nur an ihre Mutter, sondern auch an die beiden anderen erwachsenen Tiere, die deren „Erziehung“ und Aufzucht ganz selbstverständlich mit übernehmen.
Mittlerweile liest man es immer öfter, das z. B. zwei Häsinnen zusammen ihre Würfe großziehen, oder eben die Geburt und Aufzucht in einer Gruppe stattfindet.
Ein artgerechte Aufzucht in der Gruppe bietet Mensch und Kaninchen in jeder Hinsicht Vorteile und jede Menge Freude. Voraussetzung ist natürlich, das der Mensch die Persönlichkeit seiner Tiere gut kennt, sie einschätzen kann und nicht zu vergessen, auch das nötige Fachwissen hinsichtlich Genetik und Aufzucht hat.
Heike Müller,
www.kaninchen-vom-suedhang.de.tl
Ein Erfahrungsbericht zur Gruppenhaltung in der Zucht
Ich möchte euch hier meine Umsetzung zur Gruppenhaltung von Zuchtkaninchen näher bringen! Die Idee dazu kam mir vor etwa einem Jahr und die Umsetzung erfolgte bereits wenige Wochen später. Es liegt auf der Hand eine werfende Häsin in der Gruppe zu belassen denn in der Natur bleibt eine tragende Häsin auch in der Gemeinschaft! Onkel, Tanten, Brüder, Schwestern helfen bei der Aufzucht der Kleinen und entlasten so die Mutter. Bei Züchtern ist es gang und gebe die Mutter in eine eigene Box zu sperren wo sie dann den Nachwuchs gebärt und die nächsten 6-8 Wochen aufzieht. Aufgrund der meistens zu geringen Größe sind die Muttertiere gestresst und vertreiben die Jungtiere meistens zu früh. Die Gruppenhaltung bietet hier für den Züchter und das Kaninchen einige entscheidende Vorteile!
Wenn man sich für die Gruppengeburt entscheidet sollte man einige Dinge beachten. Die Gruppe sollte harmonisch sein und vor der erste Verpaarung etwa einen Monat „einlaufen“. Mit integriert werden sollten je nach Gruppengröße 1 oder 2 Kastraten. Sie sollten kein dominantes Verhalten haben. Ist die Gruppe harmonisch und funktioniert schon über einige Wochen kann man die ersten Verpaarungen planen.
Nach etwa 10 Tagen beginnen die Kleinen bereits das Nest zu verlassen. Das ist wesentlich früher als bei „Stallgeburten“. Der erste Ausflug ist meistens ein großes Abenteuer. Die Babys sehen in jedem Gehegemitglied eine potentielle Milchbar und werden die ersten Tage bei jedem Kaninchen nach einer Zitze suchen (auch bei den Rammlern!). Kleine Zurechtweißungen in dieser Zeit sind völlig normal, die Kleinen werden aber nicht verletzt.
Hat man mehrere Würfe gleichzeitig so kann es vorkommen, dass sich annährend gleichaltrige Jungtiere in ein Nest zusammenlegen. Die Mütter machen ab diesem Zeitpunkt keinen Unterschied mehr wer gesäugt wird.
Jungtiere die in dieser Form geboren werden lassen sich im späteren Leben wesentlich einfacher vergesellschaften und sind selten besonders dominant.
Außerdem konnte ich bei den Müttern einen wesentlich geringeren Körperlichen Abbau feststellen als bei der Stallgeburt.
Im Allgemeinen konnte ich keine schlechten Erfahrungen sammeln sondern nur positive:
– Man hat sozialere Jungtiere
– Eine ausgeglichene Mutter
– Man erspart der Mutter nach der Aufzucht die Vergesellschaftung und die Jungtiere werden länger geduldet
Achtung! Die Gruppe muss wirklich gut Zusammenspielen und die Mutter darf nicht aggressiv sein!
Danke an Nadine für diesen informativen Erfahrungsbericht!
